Unser Mann am anderen Ende der Zeitung

Unglaubliche 350 Leserbriefe von Ralph-Peter Fischer hat die RNZ bereits veröffentlicht – Pointierte Gedanken zu einer Fülle von Themen
Von Benjamin Miltner
RNZ, 8. September 2020

Morgens, halb acht, in Bammental: Zeit für die Rhein-Neckar-Zeitung! Der erste Gang des Tages führt Ralph-Peter Fischer an den Briefkasten. Täglich, bis auf Sonntag, aber an Samstagen mit einem besonderen Gefühlsmix, einer Mischung aus Vorfreude und Spannung, Aufregung und Neugierde. Steht er drin, der Leserbrief, den Fischer wenige Tage zuvor an die Redaktion übermittelt hat? Ein Blick auf die Forum-Seite gibt die Antwort – und die fällt meist positiv aus.

Denn Ralph-Peter Fischer gehört zu den fleißigsten Verfassern unter den RNZ-Lesern. Unglaubliche 350 Leserbriefe des 76-jährigen „Unruheständlers“ haben es in seine Lieblingszeitung geschafft. Dabei ist das Erstlingswerk aus dem Jahr 2009 und so richtig losgelegt hat Fischer erst 2013.

Vor allem die Vielfalt seiner Themen erstaunt: Mal geht es um Regionales wie etwa Hinterlassenschaften Bammentaler Gänse oder Beobachtungen in seiner einstigen beruflichen „Heimatstadt“ Heidelberg. Mal um Politisches wie die Diskussion um Rassismus rund um den Todesfall George Floyd oder Abgeordnete, die den Martinstag umbenennen wollen. Mal um Gesell-schaftliches wie allzu besorgte „Helikoptereltern“ oder Drängler im Straßenverkehr. „Ich bin an so ziemlich allem interessiert“, fasst Fischer zusammen. Ganz besonders liegt ihm aber der Sport am Herzen, noch mehr der Fußball und die TSG Hoffenheim im regionalem Umfeld. Sein Berufswunsch stand früh fest: Sportjournalist.

 Und der junge Ralph-Peter Fischer war auch auf dem besten Wege dazu, seinen Traum zu verwirklichen. Als 16-Jähriger verdiente er sich erste Meriten in der RNZ-Sportredaktion. Seine Augen leuchten noch heute, wenn er von einem Boxkampf in Ketsch erzählt, über den er damals berichtete. Wie er schweißgebadet und voller Adrenalin nachts um 2 Uhr nach Hause zurück radelte. „Am nächsten Tag war Schule – da war mein Vater nicht so begeistert“, schmunzelt er. Die schlechten Noten – Fischer bezeichnet sich selbst als „stinkfauler Schüler“ – waren dann auch der Hauptgrund, warum die Journalisten-Karriere nach einem halben Jahr wieder abrupt endete. Aber auch das Interview mit einem Skitrainer, der den jugendlich Fragesteller nicht ernst nahm. „Für den war es eine Majestätsbeleidigung, dass da so ein junger Knirps ankam“, schildert Fischer.

„Es gibt Dinge im Leben, da muss der Zeitpunkt passen – der Journalismus kam für mich zu früh.“

Früh, aber genau zum richtigen Zeitpunkt trat die RNZ ins Leben von Ralph-Peter Fischer. „Ich habe mit ,Petzi, Pelle und Pingo‘ lesen gelernt“, erzählt der 76-Jährige und lacht. Natürlich hat er auch dem tierischen RNZ-Trio aus Bär, Pelikan und Pinguin einen Leserbrief gewidmet. Schon in ganz jungen Jahren schnupperte Fischer dann Redaktionsluft. Sein Vater Dr.Will Fischer war knapp 30 Jahre lang RNZ-Mitarbeiter. Er schrieb Filmkritiken für das Feuilleton, führte Interviews mit Stars wie Romy Schneider, Mario Adorf, Federico Fellini und Pierre Briece – und schickte seinen Sohn als Boten. „Ich durfte immer die Manuskripte für die ,Filme der Woche’ zur RNZ bringen – damals noch in der Hauptstraße“, erinnert sich Fischer junior. Zweimal die Woche flitzte er als junger Knabe wie in Irrwisch über den Hof, durch die Maschinenhalle und dem „Mordslärm“, vorbei an den Maschinensetzern, herein in die Redaktion.

Die kindlichen Postdienste hinterließen bleibenden  Eindruck. Nach der Episode als Jung-Journalist und dem Schulabgang nach der Obersekunda durchlief Fischer eine Lehre als Offsetdrucker. Danach verschlug es ihn zum Springer-Verlag nach Neuenheim, wo er eine Volontariatsstelle annahm – und als Buchhersteller, später in leitender Position, sein gesamtes  Arbeitsleben verbrachte. „Ich habe die Manuskripte der Autoren zu Büchern gemacht“, ist Fischer noch heute stolz und froh über die vielen besonderen Menschen, Geschichten und Bücher, die ihm dort begegneten. „Ich lebte von und für Bücher“, sagt er. Heute druckt der Mann, der eine tiefe Freundschaft zum
Heidelberg-Krimiautor Wolfgang Burger pflegt, seine eigenen Werke:

Bereits elf Bände hat Fischer mit seinen Leserbriefen an die RNZ unter dem Titel „Gedanken hinterm Berg“ gefüllt und an einen illustren Kreis seiner größten „Fans“ verteilt. Auch den nicht gedruckten Leserbriefen ist ein Werk gewidmet: „Die Verschmähten“. Jeder nicht veröffentlichte Leserbrief schmerze, gibt er zu. Schließlich seien das oft die besten Texte, so Fischer. Noch heute schwärmt er vom RNZ Forum im Jahr 2016, als im Heidelberger Stadttheater der Vortrag nie gedruckter Zuschriften über 300 Zuhörer in Begeisterungsstürme versetzte.

Etwa die Hälfte von Fischers Leserbriefen werden nach eigenen Angaben gedruckt. „Angesichts von 300 Einsendungen pro Woche der Leser an die RNZ will ich mich über diese Quote nicht beklagen“, grinst er schelmisch.

Was treibt ihn an? Der sportliche Ehrgeiz, „ob meine Leserbriefe ,Gnade‘ vor den kritischen Augen der Redaktion finden“.

Ebenso das Gefühl, mit den Leserbriefen als „kleiner Bruder des Journalismus“ ein wenig den unerfüllten Traum des Sportjournalisten zu kompensieren. Das Training der grauen Zellen, das Entdecken neuer Hintergründe und Fakten bei der Recherche sowie die Wahrnehmung der freien Meinungsäußerung „als eines der wertvollsten Güter unserer Gesellschaft“.

Eines ist Fischer wichtig: Er möchte nicht als Besserwisser gelten. „In meinen Leserbriefen versuche ich immer eine Botschaft zu vermitteln, was ich denke, fühle und wofür ich stehe“, erklärt er. Er tue dies aber nie mit dem erhobenen Zeigefinger, dagegen fast immer mit einem Augenzwinkern und einer Prise Humor.

Und wie kommt er so auf seine Themen? Mal juckt es ihm schon beim Lesen am Frühstückstisch in den Fingern und es wird direkt los getippt. Mal lässt er seinen Gedanken erst einmal sacken. Mal lauert er teils gar über Monate und Jahre, bis ein Thema in einem Artikel thematisiert wird und er darauf mit einem fixen Satz oder Gedanken Bezug nehmen kann. Aber ohne dass seine Frau Traudel Korrektur gelesen hat, geht kein Leserbrief an die Redaktion.

„Es kann sein, dass ich morgen aufhöre“, platzt es aus Fischer heraus, „aber das ist doch eher unwahrscheinlich“, glaubt er selbst nicht daran. Denn seine eigentliche Zielmarke von 250 Leserbriefen hat er längst übertroffen. Zu gerne schreibt er, zu groß ist die Vorfreude an Samstagen. Morgens, halb acht, in Bammental: Zeit für die RNZ – mit ein paar klugen, pointierten Gedanken von
Ralph-Peter Fischer.

Nehmen Sie Kontakt auf bei Fragen und Kritik!

Bitte gib deine E-Mail ein, sodass wir in Kontakt bleiben können.