Ich war schon als kleiner Knirps fußballverrückt und bin auf der Neckarwiese in Heidelberg mit wachsender Begeisterung hinter dem Ball hergejagt. Der gehörte meistens einem Jungen mit überschaubarer Begabung, aber reichen Eltern, den wir dann notgedrungen ins Tor gestellt hatten. Im Jahr 1953 stand ich im zarten Alter von 9 Jahren vor dem Schaufenster eines Elektrogeschäftes und sah zum ersten Mal in meinem kurzen Leben bewegte Bilder eines Fußballspiels über den winzig kleinen Bildschirm flimmern. Es handelte sich um das WM-Qualifikationsspiel Deutschland – Norwegen 5:1. Hier begann meine Liebe für den großartigen und unvergessenen Fritz Walter und die Nationalmannschaft.
Als Deutschland sensationell das Endspiel gegen die Wundermannschaft aus Ungarn erreichte, war mein sehnlichster Wunsch, dies nicht am Radio sondern vor dem Fernseher miterleben zu dürfen. Mein Vater war Journalist und Filmkritiker bei der Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung und es gelang ihm, mich in dem kleinen Kino in unserer Nachbarschaft unterzubringen, in dem zwei Fernseher aufgestellt waren. Ich konnte zwar nicht allzu viel erkennen, aber alleine die Stimmung unter den Zuschauern und die Atmosphäre riss mich mit. Nach dem erlösenden Schlusspfiff lagen sich wildfremde Menschen in den Armen und auf den Straßen wurde vor Freude und Begeisterung getanzt. Ich habe drei weitere Weltmeistertitel Deutschlands miterleben dürfen, aber keine Feier und Freude war so intensiv und innig wie am
4. Juli 1954, einem Datum, das ich niemals vergessen werde.
Aber an diesem nicht nur für den Fußball bedeutenden Tag kam dann auch der kicker ins Spiel. Ich hatte von Freunden erfahren, dass es eine Zeitung gäbe, die nur über Fußball berichten würde – und das „noch nicht einmal so schlecht“. Da ich (leider) in die Schule musste, bat ich meine Mutter, mir so eine Zeitung zu besorgen, damit ich das ganze dramatische Geschehen nochmals in aller Ruhe Revue passieren lassen könnte. Aber schon am Montag in aller Früh war diese ominöse Zeitung restlos ausverkauft und meine Enttäuschung riesengroß. Meine Mutter konnte, wie alle Mütter dieser Welt, ihr Kind nicht leiden sehen und es gelang ihr mit detektivischem Spürsinn einen Nachbarn auftreiben, der stolzer Besitzer dieses Kleinodes war. Ich werde es ihm nie vergessen, dass er mir die Zeitung zum Lesen ausgeliehen hatte. Zu meinem Entsetzen wollte er sie aber auch wieder am nächsten Tag zurück haben, was ich erst später richtig nachvollziehen konnte.
Dies war der Beginn einer großen Freundschaft zwischen dem kicker und mir. Ich habe mit ihm zusammen, wie mit einem besten Freund, die Höhen und Tiefen des geliebten Fußballsports bejubelt oder durchlitten. Er war für mich Montag für Montag, Donnerstag für Donnerstag über Jahrzehnte eine treuer, kompetenter und zuverlässiger Begleiter. Die Belegschaft wechselte Jahrzehnte um Jahrzehnte, aber der Geist des kicker blieb gleich. Alle Mitarbeiter hatten und haben gemeinsam, dass sie den Fußball lieben und das spürt man Ausgabe um Ausgabe, Seite um Seite, Zeile um Zeile.
So wie die Fußballprofis sich glücklich schätzen können, mit ihrem Hobby viel Geld zu verdienen, so stelle ich mir die Motivation der kicker-Mitarbeiter vor – nur mit bedeutend weniger Salär!
Egal in welcher Form mein treuer Wegbegleiter in Zukunft erscheinen wird, egal ob auf Papier gedruckt oder digital ins Netz gestellt, sein ehrlicher Charakter und sein objektiver und scharfsinniger Geist möge erhalten bleiben – möglichst weitere 100 Jahre.
Herzlicher Glückwunsch zum Geburtstag.
Mit besten Grüßen
Ralph-Peter Fischer