Mein Vater wollte mir in meiner Jugend einmal veranschaulichen, wie man Perspektiven und Betrachtungen verschieben, ja auch manipulieren kann, ohne explizit die Unwahrheit zu sagen. Da er in der Film-Branche tätig war, wählte er ein Beispiel aus dem Dokumentarfilm-Bereich.
Das Gespräch fand Anfang der 50iger Jahre statt und in vielen Städten waren die vom Krieg zerstörten Gebäude noch nicht wieder aufgebaut. Seine These lautete, dass er zwei Dokumentationen produzieren könnte, eine mit dem Titel “ Das verwüstete Mannheim“ und die andere mit „Mannheim, die blühende Stadt“. Er bräuchte in dem einen Fall nur die zerstörten und in dem anderen Fall nur die wieder aufgebauten Gebäude aufnehmen.
Viele Jahre später hatte der Herr-der-Ringe-Regisseur Peter Jackson genau nach diesem Prinzip gehandelt:
Im Januar 1969 trafen sich die Beatles, um zu diskutieren, ob sie jemals wieder gemeinsam live auftreten würden. Am Ende dieses Treffens und einer Sessions entstand ein Dokumentarfilm. Aber dieser Streifen wirkte genau so düster wie die Mimik und Stimmung der Bandmitglieder. Der Film wurde dann 1970 in die Kinos aufgeführt. Aller Akteure blieben der Premiere fern!
Nun kommt Peter Jackson ins Spiel. Er wurde gebeten, aus dem vorhandenen Material einen neuen Film mit positiven und fröhlichen Hintergrund zu formen. Er kämpft sich unverdrossen und zäh durch fast 60 Stunden Videos und 150 Stunden Audios. Nach zeitraubendem Studium des Materials fand er die gewünschten Sequenzen und auf einmal entstand ein Streifen mit glücklich lächelnden und in einer harmonischen Gemeinschaft lebenden Beatles.
Dies sollte man sich vor Augen halten, wenn man abends gemütlich und Chips essend in seinem Sessel sitzt und sich im Fernsehen an Dokumentarfilmen erfreut. Es müssen ja keine Unwahrheiten sein, die dem Betrachter gezeigt werden, aber die „Kunst“ der Manipulation besteht im subjektiven und gezielten Weglassen von Objekten, Ereignissen und Vorgängen.

