Typisch deutsch?!?

So, nun hat der kleine Unterkühlte aus dem hohen Norden seine erste Regierungserklärung im Bundestag halten dürfen. Zuerst die gute Nachricht: Kein Zuhörer aus dem Plenarsaal hat sich ernstlich verletzt, als sich beim Wegdösen der Kopf immer bedrohlicher der Tischkante näherte. Die monotone und einschläfernde Stimme des neuen Bundeskanzlers ersetzte sämtliche über Hindernisse springenden Schäfchen, die gerne von Heilpraktikern anstelle von Schlaftabletten zum besseren Einschlafverhalten empfohlen werden. Das akribische und geradezu unerbittliche Abhaken sämtlicher Punkte des Koalitionsvertrages war ungefähr so spannend wie die Meldung der Wasserstände am Niederrhein.

Klaus Welzel, Chefredakteur der RNZ, kam in seiner Kolumne „Für den Anfang“ zum Schluss, dass die „unaufgeregte Langatmigkeit“ von Scholz und Merkel, seiner Schwester im Geiste, typische deutsche Eigenschaften seien. Was ist eigentlich typisch für ein Volk? Sind die Schotten alle geizig? Kauen die Amis alle Kaugummi? Haben wirklich alle Holländer einen Wohnwagen? Können alle Italiener wie Heldentenöre Arien schmettern? War das weniger „deutsch“ als sich in den Nachkriegsjahren die Erler, Wehner, Brandt, Barzel & Co. Rededuelle im Bundestag lieferten, welche sich heute für Dutzende Winkeladvokaten als eine sichere Einnahmequelle für Verleumdungsklagen erweisen würden. Man hatte mit harten Bandagen, manchmal auch beleidigend und unfair, aber mit Leidenschaft und Herzblut, um seine Sache gekämpft.

Wenn ich mir vorstelle, mit welchen glühenden und emotionalen Appellen Brandt oder Schmidt heute die Nation auf die schwierige Zeit der Corona-Pandemie eingestimmt und vorbereitet hätten, wie sehr sie versucht hätten, die Menschen davon zu überzeugen, dass nur Impfen und nochmals Impfen der richtige Weg sei, der aus der Pandemie führen würde. Wenn Scholz sich in so einer lebensbedrohlichen Lage äußert, ist die Intention ungefähr so, als ob er ein Kind auffordere, sich die Nase zu putzen.

Nach 16 Jahren sprödem und distanziertem Merkelismus wünschte ich mir mal wieder einen begnadeten und euphorisierenden Redner*inn (nicht zu verwechseln mit einem Demagogen), der seine Mitmenschen für eine gute und gerechte Sache begeistern und mitreißen kann.
Aber die raue Wirklichkeit holt mich stets ein, wenn ich abends den Fernseher einschalte und mir die Damen und Herren Volksvertreter zu Gemüte führe: Annalena Baerbock mit kindlicher Piepsstimme und der Autorität einer schüchternen, mit Akne geplagten Referendarin, Olaf Scholz mit dem einlullenden Organ, um das ihn viele Anästhesisten beneiden würden, Karl Lauterbach mit der eintönigen und nasalen rheinischen Singstimme, die jeden Daumen reflexartig zum Wegdrücken der in gefühlter Dauerschleife gesendeten Talkshow reizt oder Christian Lindner mit seinen vor Selbstgefälligkeit triefenden Allgemeinplätzchen. In diesen Augenblicken wünsche ich mich stets in die „gute alte Zeit“ zurück.

Da war vieles auch nicht besser… aber der Inhalt hatte die bedeutend bessere Verpackung.

Schreibe einen Kommentar