In Memoriam Wolfgang Burger

Dankbare und wehmütige Erinnerungen an eine wundervolle und außergewöhnliche Freundschaft mit dem Spiegel-Bestseller-Autor und Schöpfer der Heidelberg-Krimi-Reihe „Alexander Gerlach“.

Ein guter Freund und Kollege, dem ich schon viele gute Buchtipps zu verdanken hatte, machte mich eines Tages auf den Namen „Burger“ aufmerksam. Wolfgang Burger, so war sein vollständiger Name, würde Krimis über Heidelberg schreiben und neben spannenden Plots zu verfassen, auch Straßen, Plätze, Gebäude usw. präzise und detailliert beschreiben.

Ich besorgte mir umgehend den neusten Band, der da hieß „Schwarzes Fieber“. Mein Freund hatte nicht zu viel versprochen, das Buch gefiel mir zunehmend gut, je weiter ich las. Bis ich auf Seite 30 mit Erstaunen erfahren musste, dass sich die Neckarwiesen zu beiden Seiten des Flusses erstrecken würden. Erläuternd muss ich einflechten, dass ich auf der Neckarwiese quasi aufgewachsen bin und sie für mich das zweite Kinderzimmer war. Leider gab es aber in Wirklichkeit nur eine einzige unverwechselbare Neckarwiese. Dies war eigentlich schade, denn auf zwei Neckarwiesen hätten wir Kinder noch mehr Möglichkeiten zum Spielen gehabt.

Nachdem dieser „Burger“ so viele Vorschusslorbeeren geerntet hatte, beschloss ich ihm am 2. Januar 2009 eine Email zu schicken, in der ich süffisant anmerkte, dass es mir „nach langem Suchen“ leider nicht gelungen sei die zweite Wiese zu finden. Mein Freund und Tippgeber meinte später zu Recht, ich sei ein richtiger „Krümelkacker“. Wolfgang Burger sah über meine Stichelei staatsmännisch hinweg und schrieb mir, dass er diesen bedauerlichen Fauxpas in der nächsten Auflage korrigieren würde. Wenn alles nach einem gewöhnlichen Schema abgelaufen wäre, hätte die Geschichte hier ein ganz stinknormales Ende gefunden. Oberlehrerhafter Leser beschwert sich, Autor entschuldigt sich. Punkt. Dem war aber nicht so, denn Burger schrieb noch von seinem nächsten Buchprojekt, ich antwortete, dass ich im Verlagsleben zu Hause wäre. So folgte eine Mail auf die andere – alle mit dem Betreff „AW: Neckarwiesen“. Wir schrieben über Gott und die Welt, schimpften über die unfähigen Politiker, fachsimpelten über Verlage und Lektoren, gaben uns Buchtipps und das gegenseitige Vertrauen wuchs so sehr, dass wir auch ein wenig Privates von uns preisgaben. Es war eine wunderbare moderne digitale Brieffreundschaft.

Bis ich eines Tages in der Zeitung entdeckte, dass ein gewisser Wolfgang Burger eine Lesung zu seinem neuesten Buch in einer Buchhandlung in Heidelberg abhalten würde. Ich holte mir das „Schwarze Fieber“ aus dem Regal und pilgerte in die Buchhandlung, wo der Autor erwartungsfroh seine Leserschaft empfing. Als ich ihn um eine Widmung bat, fragte er mich, wie der Text denn lauten sollte. Ich erwiderte ihm mit einem verschmitzten Lächeln „Schreiben Sie doch irgendetwas mit Neckarwiesen. Er blickte mich etwas verdutzt an und nach einem kurzen Überlegen kam es dann wie aus der Pistole geschossen „Sie sind der Herr Fischer!!!“

Nun da wir uns persönlich kannten und etwas beschnuppert hatten, besuchte ich regelmäßig seine Lesungen in Heidelberg und Umgebung. Dann gab eins das andere, wir trafen uns nicht mehr nur zu den Lesungen, sondern wir verabredeten uns in Bruchsal in dem Bistro „Brasil“ zum Elsässer Flammkuchen und angeregtem Plaudern. Da er in Karlsruhe wohnte und ich in Bammental, wählten wir die goldene Mitte, nämlich Bruchsal. Nach einiger Zeit boten wir uns gegenseitig das „Du“ an und unsere Freundschaft wuchs von Tag zu Tag.

Diese ominöse zweite Neckarwiese war für mich ein absoluter Glücksfall, denn ich hätte sonst niemals die Chance gehabt, Wolfgang Burger kennenzulernen. Einen der intelligentesten und warmherzigsten Menschen, die mir je begegnet sind. Er war nicht nur ein echter und verlässlicher Freund geworden, sondern auch der Bruder, den ich mir als Einzelkind immer gewünscht hatte. Ich schätzte seine Ehrlichkeit, seine Empathie und vor allen Dingen seinen Humor. Allein sein herzhaftes Lachen ließt Missmut und schlechte Laune im Fluge verschwinden.

Meine Neckarwiese, die ich über alles liebe, hat mir nun auch noch neben einer wunderschönen Jugendzeit, die ich auf ihr verbringen durfte, einen sehr wertvollen Menschen und Freund geschenkt.

Aber am 13. Dezember überbrachte mir seine Frau Hilde die traurige Nachricht, dass Wolfgang verstorben sei. Zwei Wochen vorher hatten wir noch telefoniert und er war verhalten optimistisch…

Ich bin tieftraurig und deprimiert, aber gleichzeitig dankbar, einen Menschen wie ihn kennengelernt zu haben. Er wird immer einen Platz in meinem Herzen haben – nicht nur wenn ich die Neckarwiese besuche.

Jahrelanger Treffpunkt im "Brasil" in Bruchsal

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