Besuch in der Sportredaktion der RNZ

Im Laufe von Jahrzehnten hatte sich folgendes morgendliche Prozedere in unserer Familie eingespielt: Meine Frau setzt den Kaffee auf, während ich die RNZ aus dem Briefkasten befreie. Beim Frühstück wird dann die Zeitung zwischen uns aufgeteilt. Meine Frau liest den vorderen und ich den hinteren Teil mit dem Sport. Zum Nachmittag-Kaffee wird dann wieder getauscht und ich kann mich mit der Politik und dem Zeitgeschehen beschäftigen und herumärgern. Aber nach dem sorgfältigen und ausführlichen Studium der „hinteren Seiten“ beim Frühstück, fühle ich mich stets kompetent über das vergangene und künftige Sportgeschehen informiert und sehe gestärkt dem Tag entgegen.

Der Sportteil und damit die Sportredaktion der RNZ stellen einen festen Bestandteil meiner morgendlichen Abläufe dar. Ich „studiere“ jedoch nicht nur die Berichte geradezu, sondern ich versuche auch Themen für meine Leserbriefe, die ich in unregelmäßigen Abständen an die Redaktion sende, zu finden. Im Zuge dieser Aktivitäten entstanden schließlich digitale Kontakte zu den Sportredakteuren.

Da es von jüngsten Jahren an mein größter Wunsch war, Sportjournalist zu werden – was aus den verschiedensten Gründe leider nicht klappte – wollte ich mir als Ausgleich die journalistische Luft in der Redaktion um die Nase wehen lassen.

Ich fasste also verwegen den Entschluss, Claus Weber, Ressortleiter Sport, zu fragen, ob es möglich sei, die Redaktion besuchen zu dürfen, um einen Einblick in die tägliche redaktionelle Arbeit zu erhalten. Gesagt, getan. Herr Weber teilte mir freundlich mit, dass dies gar kein Problem sei und er würde sich zeitnah mit einem Terminvorschlag bei mir melden. Leider machten dann Pandemie, Umzüge, Urlaub, Krankheiten usw. der „zeitnahen“ Realisierung des Termins einen gewaltigen dicken Strich durch die Rechnung.

Aber am 12. April diesen Jahres hat es dann doch endlich geklappt und Claus Weber sowie sein Stellvertreter Nikolas Beck empfingen mich in den heiligen Hallen der Redaktion. Vorgesehen für die Begegnung war ein Zeitrahmen von einer Stunde, aber im Handumdrehen hatten wir uns so in einen interessanten und regen Austausch vertieft, dass wir fast die Zeit vergaßen und nach einem Blick auf die Uhren feststellten, dass zwei Stunden im nu vergangen waren. Ein Zeichen für eine gelungene, kurzweilige und interessante Unterredung!

Den guten Eindruck, den ich von den beiden Redakteuren bereits bei ihrer fachmännischen und objektiven Berichterstattung erhalten hatte, wurde durch ihr sympathisches, zuvorkommendes und freundliches Auftreten noch verstärkt. Schon nach einigen Minuten hatte ich das Gefühl, beide schon längere Zeit zu kennen und Teil ihres Teams zu sein.

Bei ihrer aufschlussreichen und detaillierten Schilderung der Abläufe in der Reaktion konnte ich feststelle, dass Sie mit Herz und Leidenschaft ihren Traumberuf ausüben, trotz des enormen Termindrucks und unvorhergesehener Ereignisse und Hindernisse, welche im Sport nun mal fast die Regel sind.

Zum Schluss habe ich dann den „Spieß umgedreht“ und bat Herrn Weber und Herrn Beck um ein Interview für meinen Blog.

Ich möchte mich bei ihnen an dieser Stelle nochmals sowohl für den herzlichen Empfang als auch für die ausführliche Beantwortung meines Fragenkatalogs sehr herzlich bedanken.

Hier die Fragen eines amateurhaften Leserbriefschreiberlings an zwei absolute Profis:

1. War Sportjournalist schon immer ihr Berufsziel oder haben Sie dorthin „Umwege“ genommen?
Nikolas Beck:
 Dieses Ziel hatte ich tatsächlich schon relativ früh. Als Dreikäsehoch habe ich immer gesagt, dass ich Fußball-Kommentator werden will, wenn ich mal groß bin. Im Rahmen meines Studiums habe ich auch mal ein Seminar „Moderieren und Kommentieren in Funk und Fernsehen“ besucht. Dort hatte sich leider mein Eindruck von einem Schülerpraktikum beim Radio bestätigt: Mit meiner Stimme und den Mannheimer Wurzeln liegt mir das Schreiben mehr. 😉 Heute würde ich auch für kein Geld der Welt mehr tauschen wollen. Andererseits: Dass ich mit meinem Büro-Kollegen Tillmann Bauer mittlerweile schon über 60. Mal mit einem Podcast auf Sendung war, hätte ich auch nicht gedacht.
Claus Weber: Es war nicht unbedingt mein Berufsziel, aber es hat sich früh ergeben über meine Tätigkeit in der Schülerzeitung und später als Pressewart der Ringer im Rhein-Neckar-Kreis sowie als freier Mitarbeiter der Sportredaktion. Umwege gab es eigentlich nicht.

2. Was sind Ihre Lieblingssportarten?
N.B.:
Es gibt kaum eine Sportart, die mich nicht schon mal begeistert hat. Mein Herz schlägt natürlich für den Fußball, aber ich schlage mir auch immer wieder Nächte mit den US-Sportarten Basketball und Football um die Ohren. Dazu bin ich in einer Motorsport-Familie aufgewachsen, saß schon als kleiner Bub immer wieder an Wochenenden auf den Tribünen am Hockenheim- oder Nürburgring, wenn mein Vater mit seinem Renn-Team vor Ort war. Aber auch Darts kann mich vor den TV fesseln. Tennis sowieso. 
C.W.: Zum Zuschauen finde ich Volleyball und Basketball am schönsten, weil da immer was passiert und viel Aktion geboten wird. Früher, als Nordbaden noch eine Hochburg des Ringer-Sports war, fand ich die Derbys zwischen Reilingen und Wiesental, Graben-Neudorf, Lampertheim oder Schifferstadt faszinierend, weil sehr emotional und oft hochspannend.

3. Treiben Sie Sport? Wenn ja welche Sportarten?
N.B.: 
Ich spiele seit mittlerweile über 30 Jahren aktiv Tennis und nehme dort mit meiner Mannschaft nach wie vor an der Verbandsrunde teil. Wenngleich die ganz großen Ambitionen der Vergangenheit angehören. Dazu habe ich bis zur Corona-Pandemie einmal in der Woche in einer Hobby-Mannschaft Basketball gespielt und versuche einigermaßen regelmäßig ins Sportstudio zu gehen. 
C.W.: Ich habe in meiner Jugend Fußball gespielt und längere Zeit selbst gerungen, ehe ein Kreuzbandriss die bescheidene Karriere sehr früh beendet hat. Heute beschränkt sich der Sport auf Radfahren und Schwimmen (bei der DLRG)

4. Welche Regeln von anderen Sportarten würden Sie auf den Fußball übertragen?
N.B.:
So wie er ist, ist der Fußball gut. Ich war noch nie ein Freund des VAR. Das Argument, er sorge für mehr Gerechtigkeit, überzeugt mich nicht. Meiner Meinung nach verschiebt sich dadurch nur die Ungerechtigkeit. Ich glaube dennoch, dass man das Rad nicht mehr zurückdrehen wird – daher wünsche ich mir eine andere Handhabung. Am liebsten wäre mir, Hilfsmittel nur noch für Ja-Nein-Entscheidungen wie Tor, Abseits oder innerhalb/außerhalb des Strafraums einzusetzen und alle anderen Überprüfungen nur noch in Form von limitierten Trainer-Challenges durchzuführen. Ähnlich der Handhabung im Football oder inzwischen teilweise auch im Basketball. 
C.W.: Die reine Spielzeit wie im Eishockey, dann wären Verlängerungen ebenso überflüssig wie theatralische Verletzungspausen oder Zeitspiel.

5. Sollte die 50+1 Regel im Fußball beibehalten werden?
N.B.:
Prinzipiell habe ich kein Problem mit Investoren im Fußball. Aber das Ausmaß, das das Ganze in den letzten 15 Jahren angenommen hat, kann natürlich niemand gutheißen. Ob die 50+1-Regel das richtige Instrument ist, um Finanzgebaren wie in England zu verhindern, wage ich dennoch zu bezweifeln. Viel wichtiger fände ich, endlich ein funktionierendes Financial-Fairplay-System einzuführen. 
C.W.: Ja, unbedingt. Verhältnisse wie in England finde ich nicht gut.

6. Fällt es Ihnen bei manchen Themen schwer, Ihre Vorurteile auszuschalten?
N.B.:
 Ich würde es nicht Vorurteile nennen wollen. Aber man muss sich immer mal wieder daran erinnern, wenn man sich so intensiv in einer Themen-Blase bewegt, dass es im Profi-Sport zwar oft um sehr viel Geld geht, aber eben trotzdem „nur“ um Sport. Das größte Fußballspiel ist selten die wichtigste Nachricht des Tages. Und die eigene gut recherchierte und schön geschriebene Story ist auch nicht immer innerhalb des Sportteils die bedeutendste. 
C.W.: Nein, eigentlich nicht. Ich denke, dass ich allen Themen relativ unbefangen und vorurteilslos gegenüberstehe. Aber es kommt schon vor, dass man von manchen Dingen positiv (meistens) und auch mal negativ überrascht wird.

7. Versuchen Funktionäre Einfluss auf Ihre Berichterstattung zu nehmen?
N.B.:
 Ich denke, es ist ganz normal, dass jeder Funktionär im Gespräch versucht, uns Journalisten von seiner Sichtweise zu überzeugen. Daher ist es oftmals gar nicht ratsam, zu nah dran zu sein oder einen zu intensiven Austausch zu pflegen. Sprich: Wenn dir ein Funktionär oder Vereinsverantwortlicher im Vertrauen schon von sich aus alles über eine spannende Sache erzählt, wird es viel schwieriger, diese auch zu veröffentlichen. Egal ob freundschaftliche Bitte oder mehr oder weniger offen ausgesprochene Drohung: Die Entscheidung, was, wann und wie über etwas berichtet wird, wird immer bei der Redaktion liegen. 
C.W.: Es kommt schon immer mal wieder vor, dass das versucht wird. Es darf aber keinen Einfluss auf unsere Berichterstattung haben. Das wird auch entsprechend von uns so gegenüber den Funktionären kommuniziert.  

8. Wann ist in der Regel Redaktionsschluss? Wann Deadline bei wichtigen Ereignissen, die erst zu später Stunde zu Ende gehen?
N.B.
und C.B.: Hier muss natürlich zwischen Print und Online-Veröffentlichung unterschieden werden. Da wir selbst mit der digitalen Zeitung, dem sogenannten ePaper, mittlerweile eine fünfstellige Leserschaft haben, ist der Druckbeginn nicht mehr die alles entscheidende Deadline. Texte, die vor 19.30 Uhr fertig sind, schaffen es noch in die digitale Vorabendzeitung. Alles, was bis 21.30 Uhr fertig ist, wird in allen gedruckten Ausgaben erscheinen – also auch in jenen, die in der Nacht von der Druckerei in Heidelberg noch weite Strecken, etwa für die Buchener-Ausgabe, zurücklegen müssen. Und die allerletzte Deadline ist dann zwischen 0 und 1 Uhr, wenn das ePaper letztmals aktualisiert wird. Für Texte auf unserer Homepage gibt es keinen harten Redaktionsschluss. Dort sind dann eher die Arbeitszeiten der Kollegen entscheidend.

9. Welcher Interviewpartner hat Sie als Persönlichkeit am meisten beeindruckt? Wen würden Sie gerne mal interviewen?
N.B.:
 Matthias Sammer. Von ihm habe ich als Schüler Trikots getragen. Nach wenigen Monaten bei der RNZ sollte ich ihn, damals noch als Funktionär beim DFB aktiv, im Rahmen eines Nachwuchsspiels in Mannheim interviewen. Beeindruckt hat mich einerseits, wie unkompliziert das Gespräch mitten auf der Tribüne zustande gekommen ist. Aber vor allem auch Inhalt und Form seiner Antworten. Jetzt, da mehr als ein Jahrzehnt vergangen ist seither, kann ich es ja erzählen: Ich war damals so gefesselt von der Unterhaltung, dass ich komplett vergessen habe, mitzuschreiben. 😉 Dieses Interview hat sich bei mir auf so vielen Ebenen eingeprägt, dass es vermutlich zumindest von keinem Sportler getoppt werden kann.
C.B.: Schwer zu sagen, ich finde offene Gespräche, wie ich sie mindestens einmal im Jahr mit DFB-Vize Ronny Zimmermann oder OSP-Leiter Daniel Strigel führe, immer sehr angenehm, weil sie beide offen sind, Hintergründe gut erläutern können und auch mal Hintergrund-Informationen geben. Wen ich gerne interviewen würde? Das müssen keine Spitzenstars sein. Im Gegenteil. Der Amateursportler, der seit 50 Jahren auf der Ringer-Matte steht, oder der ehrenamtliche Funktionär, der seinen Verein fast alleine schmeißt, sind für mich interessanter als mancher Profi-Sportler.  

10. Heidelberg ist/war Hochburg für Basketball, Rugby, Hockey, Schwimmen, Rudern, (Frauen)Tennis. Ist es manchmal schwierig eine ausgewogene Berichterstattung gegenüber König Fußball zu erzielen?
N.B.:
 Absolut. Das „aktuelle Sportstudio“ könnte gut und gerne „Fußballstudio“ heißen. Das hat natürlich Gründe. Mainz 05, wahrlich kein Schwergewicht des deutschen Fußballs, macht mehr Umsatz als sämtliche Klubs der Handball-Bundesliga zusammen. Würden wir also Fußball genauso gewichten wie Eishockey, Basketball oder Rugby, würden wir am Interesse der Leser vorbeischreiben. Dennoch ist die Metropolregion Rhein-Neckar praktisch in allen Sportarten mit Profi-Klubs vertreten, denen wir auch den entsprechenden Platz einräumen wollen. Auch im Amateur-Bereich haben Fußball-Klubs die meisten Mitglieder und generieren das größte Interesse. Ausgewogen kann daher nicht bedeuten, in gleichem Umfang über Rugby zu berichten. Aber es darf eben keine Sportart zu kurz kommen oder gar ganz dem Fußball zum Opfer fallen. 
C.W.: Ja, weil Fußball mittlerweile eine so dominante Rolle spielt. Aber auch, weil der Fußball in unser Region mit  einem Erst-, einem Zweit-, einem Dritt- und zwei Viertligisten so stark ist. Wir versuchen dennoch, den anderen Disziplinen ihren Raum zu bieten. Wie auch dem Amateur-Fußball.  

11. Sollte der Sport völlig auf politische Statements verzichten?
N.B.:
 Ganz und gar nicht. Aber es sollte jeder Klub und jeder Sportler selbst entscheiden können, wann er welches Statement setzt. Michael Jordan, der beste Basketballer aller Zeiten, hat sich einst trotz Bitten seiner Mutter geweigert, den afroamerikanischen Kandidaten der Demokraten bei der Senatswahl zu unterstützen. Schließlich würden Republikaner seine Sneaker auch kaufen. Diese Entscheidung muss genauso akzeptiert werden wie die Art und Weise, wie Muhammad Ali für das eingestanden ist, woran er glaubte. Problematisch wird es immer dann, wenn die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird oder andererseits von Sportlern Zeichen erwartet werden, die sie nicht setzen wollen. Das Debakel um die Katar-WM mit „One Love“-Binde und dem misslungenen deutschen Mannschaftsfoto war diesbezüglich ein gutes Beispiel.
C.W.:  Dieser Überzeugung war ich lange, doch in den letzten Jahren gab es ein Umdenken. Sport ist nicht mehr unpolitisch. Wenn Großveranstaltungen an Ausrichter mit problematischer Menschenrechtslage vergeben werden, wo beispielsweise auch die Umwelt und Nachhaltigkeit untergeordnete Rollen spielen, dann sollten auch der Sport und die Athleten eine Meinung dazu haben. Und der Sport sollte auch nicht die Augen davor verschließen, was in der Ukraine passiert, sondern Stellung dazu beziehen.

12.Sollte der VAR (Kölner Keller) in der aktuellen Form beibehalten werden? Was sollte eventuell geändert werden?
C.W.
: Insgesamt finde ich das in Ordnung, auch wenn die Überprüfungen oft noch zu lange dauern und ab und zu trotzdem Fehlurteile  gefällt werden.

 

Claus Weber (stehend) und und Nikolas Beck mit gespanntem Blick auf neueSportereignisse

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Michael Rappe

    Interessantes Interview. Selbst ich als fester freier Mitarbeiter der Sportredaktion seit 23 Jahren habe noch Neues erfahren.

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