Bei einem Krankenhausaufenthalt ist man erfahrungsgemäß von einem mehr oder weniger starkem depressiven Gefühl eingenommen. Man macht sich Sorgen, grübelt vor sich hin und ist mit sich und der Welt nicht mehr im Einklang.
Aber dann eines Morgens nach schier endlos langen überaus gesundem, aber faden und langweiligen Diät“essen“ geht symbolisch die Sonne auf: Die freundlich lächelnde Pflegerin überreicht dem euphorischen Patienten ein Tablett mit zwei frisch gebackenen Brötchen, mit jeder Menge von erträumten Köstlichkeiten aus dem lukullischen Schlaraffenland, wie Butter, Erdbeer-, Pflaumen- oder Kirschmarmelade sowie goldener Bienenhonig, fein säuberlich in allerlei Art von Plastik verpackt.
Doch so schnell sich die Freude und Euphorie aufgebaut hat, weicht sie sehr schnell ohnmächtiger Wut, Verzweiflung und Depression.
Scheinbar hat die Verpackungsindustrie einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, dessen primäres Ziel es zu sein scheint, unschuldige Menschen an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Um in diesem Gremium als Mitglied aufgenommen zu werden, muss man als Grundvoraussetzung vorweisen können, dass man satanische und zynische Wesenszuge bereits mit der Muttermilch aufgesaugt hatte. Nur Menschen, welche nur Verachtung und Geringschätzigkeit gegenüber ihren Mitmenschen empfinden, können Verpackungen für all diese Köstlichkeiten erfinden, die jeden halbwegs normalen Menschen vor unlösbare Probleme stellt.
Als ich vor mich hin lechzend in meiner ganzen Verzweiflung den Notknopf (es handelte sich ja wirklich um einen ernsten Notfall!) drückte und die herbeigeeilte Schwester mit routiniertem Blick mein Verpackungsdilemma überblickte, ging sie ohne ein Wort zu sagen an einen Schrank, holte eine kleine Schere heraus und befreite die verheißungsvollen Süßigkeiten aus ihren verhängnisvollen Fesseln.
Sobald ich mich überschwänglich bei ihr bedankte, glaubte ich ein kleines verschmitztes Lächeln rund um ihre Mundwinkel eindeckt zu haben. Nach dem Motto: Selbst gegen Sadisten und Menschenfeinde haben wir Pflegerinnen ein Mittel parat.
