Beeindruckende Schaltstelle

Gespräch und Interview mit Geschäftsführerin und Chefredakteurin der RNZ Inge Höltzcke
am 18. August 2022

Die Rhein-Neckar-Zeitung war schon immer ein sehr wichtiger Bezugspunkt in meinem Leben und ein treuer und kompetenter Wegbegleiter in vielen Jahrzehnten. Durch sie erlebte ich Höhen und Tiefen, Sensationen und Tragödien in fernen Ländern und vertrauten heimischen Regionen. Sie lag bisher jeden Tag (!!!) am frühen Morgen pünktlich im Briefkasten, um dann auf dem Frühstückstisch wichtige Neuigkeiten und amüsante Nebensächlichkeiten zum Besten zu geben. Immer mit dem gleichen Ritual: Meine Frau liest und studiert intensiv die erste Hälfte und ich eher als „Überflieger“ die zweite. Nachmittags zum Kaffee wird dann gewechselt – mit den gleichen Intentionen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich ganz herzlich bei den namenlosen Helferinnen und Helfern bedanken, die bei Wind und Wetter dafür sorgen, dass ein ganz wichtiges Utensil in den Morgenstunden auf dem Frühstückstisch liegt.

Meine ersten Erinnerungen gehen bis in die frühe Kindheit zurück, als ich mit den drolligen Comic-Figuren „Petzi, Pelle und Pingo“ meine ersten zaghaften Leseversuche unternahm.
Später mit 16 Jahren verfasste ich Berichte für die Sportredaktion, die leider ein jähes Ende fanden als meine schulischen Leistungen durch den zusätzlichen Zeitaufwand (noch) schlechter wurden. Mein Vater war über 30 Jahre freier Mitarbeiter für die Ressorts Lokalnachrichten und Feuilleton.
Als ich meine Rente antrat, schloss ich mich der großen Leserbriefgemeinde der RNZ an und bin schon ein wenig stolz, dass soeben mein 427. Beitrag in einem Zeitraum von 10 Jahren veröffentlicht wurde.

All diese Gründe verführten mich zu dem überaus verwegenen Plan, bei der Schaltstelle der Zeitung, Geschäftsführerin und Chefredakteurin Inge Hölzcke, um ein Gespräch und Interview zu bitten. Da Journalisten sehr beschäftigt sind und aus aktuellen Anlässen oft gezwungen sind, ihre disponierten Zeitpläne kurzfristig ändern zu müssen, hatte ich relativ wenig Hoffnung, dass ein kleiner Leserbriefschreiberling so bald eine Audienz bei den Profis bekäme. Aber weit gefehlt, nach kurzen Zeit erreichte mich die frohe Mail-Botschaft von Frau Höltzcke, in der sie mir mitteilte, dass sie sich freue, mich in der Redaktion zu begrüßen.

Das Gespräch dauerte eine Stunde, die wie im Flug verging, was immer ein gutes Zeichen ist. Ich hatte durch ihre empathische, kluge, offene und einfühlsame Art das Gefühl mit einer langjährigen sehr guten Bekannten ein interessantes und unterhaltsames Gespräch zu führen, welches in das folgende Interview mündete:

War Ihre berufliche Lebensplanung stets darauf ausgerichtet, in die Fußstapfen Ihres Vaters und Großvaters zu treten?
Eigentlich hatte ich in jungen Jahren ganz andere Pläne. Doch es fügte sich so, dass ich meine berufliche Laufbahn in der Rhein-Neckar-Zeitung begann. Anfänglich als Volontärin; bzw.
Redakteurin, später kam ich dann in die Bel-Etage. Und je besser man das Unternehmen kennen lernte, umso versierter und sicherer konnte man Entscheidungen treffen. Ich bin bald
32 Jahre im Unternehmen. Und es macht nach wie vor großen Spaß. Es ist bis heute eine hoch interessante und spannende Aufgabe, die Weichen für die Zukunft zu stellen und die Themen im Verlag mitzugestalten.

Sie hatten in den Fächern Latein und Germanistik auf Lehramt studiert. War dies Ihre eigentlicher Berufswunsch und Berufung oder galt es als Vorbereitung für Ihre spätere Tätigkeit?
Tatsächlich wollte ich gerne Medizin studieren. Viele Jahre habe ich damit gehadert, dass mir dieser Wunsch verwehrt blieb. Und es lag nicht an den Noten. Mehr an den Umständen. Heute denke ich anders, Ich bin diesen Weg in der RNZ gegangen. Und es war genau richtig. Ich freue mich, dass es gemeinsam mit allen Redakteuren und Mitarbeitern bisher gelungen ist, das Unternehmen auch in diesen schwierigen Zeiten erfolgreich am Markt zu positionieren.

Soll eines Ihrer Kinder in Ihre beruflichen Fußstapfen treten?
Meine Söhne Robin und Mistral sind seit knapp einem Jahr im Unternehmen. Es wäre wünschenswert, wenn sie dabei bleiben und Interesse haben, weiterhin im Unternehmen zu bleiben.
Bisher sieht es sehr gut aus. Am Ende ist es natürlich ihr Leben und ihre Entscheidung.

Aus welchen Gründen ist es Ihnen wichtig, dass die RNZ ein Familienbetrieb bleibt?
Die RNZ ist nun in dritter Generation in Familienbesitz. 1945 wurde die Lizenz zur Herausgabe der RNZ von den Amerikanern an die Herren Theodor Heuss und. Rudolf Agricola sowie an meinen Großvater Herrmann Knorr übergeben. Heuss und Agricola wählten später andere berufliche Wege. Mein Großvater blieb der RNZ treu. Seine beiden Söhne führten die Arbeit fort.
Heute sind meine Cousins und ich am Zug. Es sind ja nur noch sehr wenige Zeitungen in Privatbesitz. Das macht uns stolz und spornt uns an, das Erbe unserer Väter bestmöglich weiterzuführen und auch an die nächste Generation weiterzugeben.

Eine Frage, die Ihnen bestimmt schon oft gestellt wurde: Wie schaffen Sie es Familie und Beruf „unter einen Hut“ zu bringen? Haben Sie überhaupt noch Zeit für Ihre Hobbys?
Ich denke, Familie und Job zu vereinbaren, ist immer eine Balanceakt: ob für den Mann oder die Frau. Auf jeden Fall bin ich froh, dass ich in einer Zeit lebe, in der wir Frauen die Möglichkeit haben, auch in Führungspositionen zu arbeiten. Diese Freiheit gilt es zu bewahren und zu fördern. Zur Frage nach meinen Hobbys: meine Familie und mein Job sind meine liebsten Hobbys. Für sie brenne ich, geh ich durch dick und dünn. Ansonsten treibe ich gerne Sport: laufen, radeln, Fitness, Skifahren.

Die Jugend trägt in der Regel beispielsweise keine Armbanduhren oder bezieht keine Print-Abos der Zeitschriften mehr. Das Smartphone verdrängt nach und nach alltägliche Dinge, auf welche die ältere Generation nicht verzichten will und kann.
Verschwinden die Printmedien mit diese Bevölkerungsschicht im wahrsten Sinn des Wortes von der Bildfläche?

Wie ist die RNZ auf den Strukturwandel vorbereitet und wie hoch ist aktuell der Anteil der Print-Abos gegenüber den Digital-Abos?
Noch haben wir in Heidelberg und Umgebung eine gedruckte Auflage von 70 000, Das ist immer noch eine ganze Menge. Und die Printleser sind in der Regel sehr treu. Wer sich einmal für ein gedrucktes Abo entschieden hat, bleibt oft Jahre lang bei der Stange. Anders sieht das im Digitalen aus. Dort herrscht eine große Fluktuation. Die Bindung an das Produkt ist geringer. Das Nutzungsverhalten ist anders. Wir haben unseren digitalen Bereich in den letzten Jahren intensiv ausgebaut. Wir bespielen alle Kanäle, auch die social media. Die Zahl der Nutzer steigt stetig. Ob die gedruckte Zeitung komplett von der Bildfläche verschwindet? Ich glaube es nicht.
Das gedruckte Buch lebt auch, obwohl es schon tot gesagt wurde. Wer intensiv Zeitung liest und sich die Zeit nimmt, in voller Länge Hintergründe zu lesen, der wird auch in Zukunft
auf das gedruckte Medium nicht verzichten wollen. Die schnelle Nachricht wird über die digitalen Medien verbreitet. Das Handy ist inzwischen unser ständiger Begleiter. Es ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Dem müssen wir als Verlag Rechnung tragen.

Sie sind Geschäftsführerin und Chefredakteurin in Personalunion und damit gleichzeitig auch Ihre eigene Vorgesetzte bzw. Untergebene.
Gibt es manchmal Interessenkonflikte zwischen Ihren beiden Ichs!
In unserem Hause war es gelebte Tradition, dass die Verlegerfamilie einen Chefredakteur stellte. Ziel war es, die wirtschaftlichen Interessen mit den redaktionellen Belangen in Einklang zu bringen. Da ist es nicht das Schlechteste, wenn der, der die Geschäfte führt, auch informiert ist darüber, was die Belange und Anforderungen in der Redaktion sind.

Wie wird die Aufgabenaufteilung zwischen Ihnen und dem Co-Chefredakteur Dr. Welzel definiert? Gibt es da Überschneidungen?
Wir haben eine gute Kooperation. Klaus Welzel prägt im Wesentlichen die inhaltliche Ausrichtung des Blattes. Und das macht er in meinen Augen sehr gut. Zukunftsstrategien und Personalentscheidungen in der Redaktion legen wir gemeinsam fest. Ich persönlich verantworte die finanziellen Aspekte.

Fällt es Ihnen bei manchen Themen schwer, Vorverurteile bzw. Ihre subjektive Meinung auszuschalten?
Eigentlich nicht. Das liegt vielleicht daran, dass ich keiner Partei angehöre. Ich habe auch nicht das Bedürfnis, die Leser von meiner Meinung zu überzeugen. Dazu müsste man dann besser in die Politik gehen. Nichtsdestotrotz haben wir als Zeitung einen demokratischen Auftrag und dem sind wir verpflichtet. Wir wollen die Bürger bei ihrer Meinungsfindung unterstützen und ihnen das Für und Wider politischer Entscheidungen näher bringen. Im besten Falle sollte der Leser dann in der Lage sein, seine eigene Meinung zu finden.

Laut Herrn Welzel gehen jede Woche ca. 300 Leserbriefe in der Redaktion ein. Wie findet die Sichtung und Bewertung dieser Flut von Einsendungen statt?
Je nach aktueller Lage erreichen uns mehr oder weniger Leserbriefe. Zu Beginn der Pandemie wurden wir mit Leserzuschriften überrollt. Verständlich. Das Thema beschäftigte immens. Der Ukraine-Krieg hat ebenfalls den Unmut und die Ängste der Bürger hervorgerufen. Entsprechend
überbordend war auch hier die Menge an Leserbriefen. Wir versuchen immer, fair auszuwählen.

Was halten Sie von dem Vorschlag, der Redaktion die Leserbriefe erst ohne Namensnennung zur Auswahl vorzulegen? Nach der Bewertung und Disposition würden dann die Juroren Namen und Ort erfahren. So könnte der Proporz vermieden und nur die inhaltlich und didaktisch besten Briefe veröffentlicht werden – ohne Rücksicht auf Namen und Rang.
Ein berühmter Fußballtrainer sagte einst, er kenne keine alten oder jungen Spieler, sondern nur gute oder schlechte.
Die meisten Leserbriefschreiber sind uns bekannt. Wir kennen somit auch ihren Stil, ihre Sichtweise und ihre Themenschwerpunkte . Da würde es nur bedingt Sinn machen, die Auswahl ohne Namensnennung vorzunehmen.

Vor Jahren erfreute sich eine kostenlose Sonntagsausgabe der RNZ großer Beliebtheit. Da viele Leser und Leserinnen zum sonntäglichen Frühstück „ihre“ RNZ vermissen, könnte ich mir vorstellen, dass sie bei den Abos einen zusätzlichen Obolus entrichten würden. Wäre das eine Überlegung wert?
Sie sprechen vom Boulevard Sonntag. Diese Sonntagszeitung war in der Tat sehr beliebt. Sie war gut gemacht und obendrein kostenlos. Heute sind wir froh, dass wir dieses Produkt nicht
mehr im Portfolio haben. Wir könnten es schlicht und einfach nicht mehr finanzieren. So eine Extra-Ausgabe macht man nicht einfach nebenbei, Das bedeutet einen großen personellen
Mehraufwand.

Was macht Ihnen in Ihrem Beruf am meisten Spaß und auf was könnten Sie gerne verzichten?
In unserem Job ist es nie langweilig. Jeder Tag ist anders. Was ich nicht mag: Bürokratie.

Zum Schluss die unvermeidliche Gretchenfrage: Wie stehen Sie persönlich zu dem „Reizthema“ Gendern?
Gendern finde ich gut. Für mich ist das die Fortschreibung der Emanzipation in der Linguistik. Es führt uns deutlich vor Augen, wie lange die Sprache männlich dominiert war.

Inge Höltzcke

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Birgit Cromer

    Lieber Ralph,
    es bedarf einer geschickten Fragestellung um auch inhaltlich gute Antworten zu erhalten. Du hast Deine Aufgabe sehr gut erfüllt und Frau Höltzcke auch.
    Warum sollte sie Dein Interview auch ablehnen, Du hast in 10 Jahren 427 Leserbriefe geschrieben, bist also diesbezüglich kein unbeschriebenes Blatt und der RNZ wohl bekannt. Leute wie Du, die ihren aktiven Beitrag so lange Zeit treu liefern, müssen auch dankbare Anerkennung finden. Es warteten schließlich viele Leser auf den wöchentlichen Kommentar von Dir im Leserbrief.
    Schön, dass Du wieder welche schreibst. Mit ein Grund die Auflagen bei 70000 zu erhalten.
    Diese Frau, die die RNZ in privater Hand so gut führt, weiß das.

  2. Michael Rappe

    EIn bemerkenswertes Interview. Es spricht für Frau Höltzcke, dass sie diesen Wunsch erfüllt hat.

  3. Wolfgang Brück

    Eine bessere Werbung in schweren Zeiten gibt es nicht. Danke, Ralph. In der Tat ist Inge Höltzcke eine beeindruckende Frau, obwohl ich das vielleicht nicht sagen darf, weil es mir als langjährigem Mitarbeiter als Liebdienerei ausgelegt werden könnte. Aber wenn ich schon dabei: Meine große Identifikation mit der RNZ hat viel mit der Verlegerin zu tun.

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