Dummheit und Mut

Die deutsche Regenbogenpresse überbietet sich geradezu mit Horrorberichten über die schrecklichen Zustände des Gefängnisses, in dem der wegen verschiedener Insolvenzverfahren zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilte Ex-Tennis-Star Boris Becker einsitzt. Ein Mensch, der einst ein Vermögen von geschätzten 110 Millionen Euro besaß und heute bankrott ist, selbstverschuldet durch eine Mischung aus Dummheit, Ignoranz und krimineller Energie. Eine bestimmte Gattung der Medien macht sich Sorgen um seinen Gesundheitszustand, seine Sicherheit im Gefängnis und berichtet in fetten Titelschlagzeilen vom „rührenden“ Muttertagesgruß Beckers an seine Mutter.

Aber es gibt ein krasses Gegenbeispiel für diese rührselige Berichtserstattung: Ein Gericht in London hat formell die Auslieferung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange an die USA genehmigt. Jetzt muss noch die britische Innenministerin zustimmen. Nach US-amerikanischem Recht drohen ihm 175 Jahre Haft (keine zweieinhalb Jahre). Assage ist ein investigativer Journalist, der geheime Daten gehackt hatte, um amerikanische Kriegsverbrechen im Irak und Afghanistan aufzudecken.

Wem schenken die deutschen Medien, und damit ist die ganze Bandbreite gemeint, mehr Aufmerksamkeit, einem nicht gerade mit Intelligenz gesegneten Bankrotteur oder einem mutigen Journalisten, der ungeheuerliche und grausame Verbrechen aufdeckt? Wenn Sie ein aufmerksamer Leser der aktuellen Medienerzeugnisse aller Art sind, kennen Sie die traurige und beschämende Antwort: Dummheit ist interessanter als Mut.

„Man kann wetten, dass jede öffentliche Meinung, jede allgemeine Konvention eine Dummheit ist, denn sie hat der großen Menge gefallen.“ (Nicolas Chamfort französischer Moralist in der Zeit der Aufklärung und der Französischen Revolution).

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Michael Rappe

    Ich unternehme mal den Versuch einer Erklärung, auch wenn ich den großen Mut von Assange absolut bemerkenswert finde. Irgendwie ist Boris immer ein Volksheld gewesen, ich war 1985 kurz nach seinem Sieg in Wimbledon und habe erfürchtig den Rasen betreten, wo er kurz zuvor erster deutscher Wimbledonsieger geworden war. ich ertappe mich selbst dabei, dass ich es ungehörig finde, dass er nicht in einem besseren Gefängnis sitzt. Das heißt nicht, dass er Luxus bekommen soll. Aber Sauberkeit – sofern die Schilderungen der Zustände stimmen – kann er, wie aber alle anderen Gefangenen auch, erwarten. EIne Sonderbehandlung steht ihm nicht zu. Er ist für seine Taten definitiv verantwortlich und musste eine Strafe bekommen. Mit Tiriac wäre ihm das in der Tat nicht passiert.

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