Das Prinzip „Lauterbach“

Als Olaf Scholz trotz Bedenken und Zögern Karl Lauterbach seinen Herzenswunsch erfüllte und ihn zum Gesundheitsminister ernannte, dachte ich so für mich, endlich braucht er nicht mehr zu jeder Talk-Show hetzen und kann sich nun auf die Arbeit und Themen konzentrieren, über die er seit Monaten in den TV-Studios referiert hatte. Aber weit gefehlt! Schon einen Tag nach seiner Ernennung belegte er als willkommener Dauergast den für ihn reservierten Stuhl bei Maybrit Illner. Da schickte er lieber einen Vertreter zu einer wichtigen Bund-Länderkonferenz! Gestern erfreute er dann Anne Will mit seiner inzwischen fernsehgerecht gestylten Erscheinung.

Aber nun endlich bekam der Talkshow-Dauergast auch einmal eine steife Brise Gegenwind ab:
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel sah Lauterbachs Auftritte in Talkshows als wesentliche Ursache für seine Ministerwahl. „Die Nominierung war gewissermaßen ein Plebiszit der Talkshows“, sagte Merkel am Sonntagabend. Aber wie eine gebissener Hund jaulte Lauterbach auf: „Ich kenne Olaf Scholz seit 19 Jahren, habe ich mal ausgerechnet. Wir kennen uns also wirklich sehr lange. Und wir haben ja eng zusammengearbeitet jetzt in der Pandemiebewältigung und den Vorbereitungen der Ministerpräsidentenkonferenzen. Somit ist es ganz sicher, dass er meine Eignung für das Amt nicht aus Talkshow abgeleitet hat.“

Jedoch ohne seine Dauerpräsenz in den Talkshows und ohne den enormen Druck von Sympathisanten auf Twitter, Instagram und Facebook würde er heute noch als Hinterbänkler mit der albernen Fliege als Markenzeichen im Bundestag sitzen.

Immer wieder wird er von den Medien wegen seiner medizinische Kompetenz und professionellen Vorhersagen in den höchsten Tönen gelobt.
Im Frühjahr saß er mal wieder bei Illner in trauter Runde, als er vollmundig und dogmatisch der staunenden Republik verkündete, dass im August diesen Jahres die Epidemie von der Bildfläche verschwunden sei – ein für alle mal. Damals glaubte ich dem telegenen Wanderprediger noch jedes Wort und freute mich, dass endlich Licht am Ende des Tunnel zu sehen war. Ich legte seine goldenen Worte auf Wiedervorlage. Was passierte? Statt dem prophezeiten Ende werden wir heute von einer vierten und sicher auch noch fünften Welle heimgesucht. Unbedarft und naiv wie ich nun mal bin, wartete ich auf ein kritisches Nachfragen der Medien. Eine so ungeheuerliche Aussage, welche er vor einem Millionenpublikum äußerte, wurde aber totgeschwiegen, als ob sie niemals getätigt worden wäre. Im Gegenteil die „kompetenten, gelungenen Ausführungen und Prognosen“ des Corona-Flüsterers werden weiterhin in den Viren-Himmel gehoben.

Aber mir ist inzwischen klar geworden, wie das Prinzip „Lauterbach“ funktioniert: Man gebe Tag für Tag, Woche für Woche Erklärungen und Vorhersagen stapelweise von sich. Einige davon werden sich naturgemäß bewahrheiten und werden mit Hosianna-Rufen der Öffentlichkeit kund getan, während diejenigen, welche nicht eingetroffen sind, beflissentlich.„vergessen“ werden

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