Wir sind ein Volk der Platzhalter

Wer hat nicht schon folgendes Szenario am eigenen Leib erfahren müssen? Vor dem Beginn einer Veranstaltung steuert man sein Glück kaum fassend auf (scheinbar) unbesetzte Stühle oder Tische zu. Aber dann wird man von einer inmitten dieser gähnenden Leere thronenden Person mit mehr oder weniger freundlichen, aber seh deutlichen Worten darauf hingewiesen, dass sämtliche so verlockenden Gegenstände reserviert seien.

In der Regel rekrutieren sich die Wächter dieser Begehrlichkeiten aus einem muskelbepackten Hünen oder einer kleinen, aber kampflustigen und wortgewaltigen älteren Dame. Wenn man schließlich dann doch noch einen Platz in der äußersten hinteren Ecke des Raumes ergattert hatte, blickt man stundenlang wehmütig auf die gähnend leeren Sitzgelegenheiten der vordersten Reihe. Sie war für C-Prominente und Hinterbänkler aus der Politik reserviert, die es aber scheinbar vorgezogen hatten, eine andere Veranstaltung mit ihrem Glanz und Charme zu bereichern.

Wir deutschen sind von einem Volk der Dichter und Denker zu einem Volk der Platzhalter mutiert – nicht nur was die ominösen Handtücher auf den Liegen in aller Welt betrifft.

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