Griezmann wäre unentdeckt geblieben

„Der kleine Dicke fehlt in der C-Klasse“

Anhand von zwei Beispielen aus der Vergangenheit versuche ich die Entwicklung, die der Fußball in den letzten Jahrzehnten genommen hat, zu beschreiben.

In den 50-zigern und 60-zigern Jahren tummelten sich zahlreiche junge Neckarschleimer auf den Neckarwiesen in Neuenheim und jagten mit Begeisterung und Leidenschaft dem runden Leder hinterher. Es fanden sogar selbst organisierte „Auswahlspiele“ gegen „die Altstadt“ oder „die Weststadt“ statt. Am Rand der Wiesen standen interessierte und fachkundige Rentner, die dem bunten und oft recht lärmigen Treiben begeistert zusahen. Das ganze Territorium gehörte den kleinen Kickern, die ihren Idolen Fritz Walter und Uwe Seeler nacheiferten. Die Neckarwiese war eine richtige „Fundgrube“ für die Heidelberger Fußballvereine. So manches Talent wurde hier entdeckt.

Heute sieht man nur noch vereinzelt kleine Gruppen den Ball jonglieren. Das Bild wird von Volleyball-und Frisbee-Fans, Hunde-Ausführern,  Smartphone-Süchtigen sowie Grill- und Trinkfreudigen beherrscht.

Die älteren Semester werden sich sicher noch an die Zeiten mit Wehmut erinnern, als vor großen Spielen im Südwest-Stadion in Ludwigshafen oder im Wildparkstadion in Karlsruhe Jugendmannschaften vor einer großen Zuschauerkulisse Vorspiele bestreiten durften. In fast jedem Spiel war ein kleiner Knips dabei, einen Kopf kleiner als die Mitspieler, mit einer Hose ausgestattet, die bis zu den Knien reichte und das viel zu große Trikot war mit der Nummer 10 versehen. Aber dieser Steppke war dank seiner Technik, seines Spielwitzes und seiner Tricks immer der umjubelte Liebling der Massen.

Heute hätte er in den sogenannten Fußballschulen und -internaten nicht den Hauch einer Chance. Wir brauchen da nur über die Grenzen zu unserem Nachbarland Frankreich schauen, da wurde der spätere Weltmeister Antoine Griezmann für zu klein und zu schmächtig befunden. Er wechselte deshalb nach Spanien und ist heute ein absoluter Weltklassestürmer. Ich möchte nicht wissen wie viele „Griezmänner“ in Deutschland unentdeckt geblieben sind.

Selbst ich als unverbesserlicher Fußballromantiker weiß, dass jede Zeit und Ära unabdinglich Veränderungen mit sich bringt, aber trotzdem habe ich den (leider unerfüllbaren) Wunsch, der schnöde Mammon möge nicht mehr so drastisch im Vordergrund stehen, die Fesseln der taktischen Vorgaben würden gelockert und die Technik sowie die Offensive mehr gefördert.

Aber ich befürchte, dass meine frommen Wünsche von den Fußballgewaltigen nicht erhört werden. Deshalb träume ich weiter von Offensivfestivals, wie bei der Fußballweltmeisterschaft 1954 in der Schweiz als Ergebnissen 9:0, 7:5, 7:2, 6:1 an der Tagesordnung waren oder dem Endspiel der Landesmeister 1960 in Glasgow zwischen Real Madrid und Eintracht Frankfurt, das 7:3 endete.

Aber Träume sind ja bekannterweise Schäume.

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